Es ist schnell passiert: Nach einem Meeting trifft sich das Team in der Kaffeeküche. Eine Kollegin hat eine Idee präsentiert, die einige für unrealistisch halten. „Das wird doch nie klappen“, sagt einer. Eine andere fügt hinzu: „Die will sich nur profilieren.“
Was hier wie ein harmloser Austausch erscheint, kann leicht kippen. Die Frustration loswerden, sich über die eingenommene Perspektive versichern, die eigenen Wertemaßstäbe und Normen überprüfen – all das mögen nachvollziehbare Gründe für ein vertrauliches Gespräch unter einigen wenigen Mitarbeitenden sein. Doch sobald die Kompetenz oder Absichten der Kollegin in einem solchen Setting infrage gestellt werden, sprechen wir von „Lästern“.
Wir erreichen die Stufe des „Lästerns“ tatsächlich schneller als wir denken. Wir suchen den vertrauten Rahmen oft in alltäglichen Situationen, tauschen uns kurz aus und fühlen uns bestätigt. Kaum jemand ist frei davon, über andere zu sprechen.
Lästern kann die Funktion eines sozialen Klebstoffs übernehmen. Es hilft, sich in einer Gruppe als zugehörig zu empfinden und sich der eigenen Stellung in dieser Gruppe zu versichern. Mitarbeitende stärken sich z.B. gegenseitig gegenüber einer Führungsperson und erleben sich (wieder) auf „Augenhöhe“, wenn sie sich absprechen und auf ein Verhalten oder eingen Vorschlag einigen, wenn sie sich gegenseitig als „richtig“ bestärken in ihrer Positionierung o.ä. Durch diesen Abgleich kann ein „Wir-Gefühl“ geschaffen werden, das zur „sozialen Identität“ einer Gruppe von Personen beiträgt.
Die Grenzen zum Mobbing sind allerdings fließend. Fehlinformationen über Kolleg*innen und verzerrte Wahrnehmungen von Ereignissen verbreiten sich schnell und sind schwer zu korrigieren. Langfristig können durch einen unbedarften Austausch über persönliche Hintergründe anderer Menschen nicht nur Beziehungen, sondern auch die Unternehmenskultur nachhaltig geschädigt werden.
Was sich in einem eher ausweichenden Gesprächsverhalten zeigt, sind zunächst einmal Bedenken, kritische Themen und Konflikte im Team direkt zu besprechen. Die Konfliktvermeidung hat damit eine Signalfunktion für die eigene Verantwortung als Teammitglied ebenso wie für die Führungsperson. Sie gibt Hinweise auf die derzeitige Team- bzw. Organisationskultur. Und sie zeigt Handlungsbedarf, wenn sich negative Konsequenzen spürbar im Team auswirken.
Was sind Alternativen zu einem Gespräch ohne die betreffende Person?
✔️ Ehrlich und direkt mit ihr zu sprechen – das schafft Vertrauen.
✔️ Zivilcourage zeigen – abwertende Gespräche bewusst unterbrechen.
✔️ Konflikte offen ansprechen – respektvoll und auf Augenhöhe.
Bewusstheit und Reflektion sind entscheidend. Ein offener und respektvoller Umgang miteinander – auch in schwierigen Situationen – hilft, die Grenzen zwischen kritischem Austausch und destruktivem Lästern klar zu ziehen.