„Konfliktfähigkeit“ beschreibt die Kompetenz, einen Konflikt wahrzunehmen und ihn konstruktiv zu führen. Dazu gehört, ein Problem offen anzusprechen, sich in das Gegenüber einzufühlen und verstehen zu wollen sowie die eigene Perspektive gleichwertig, klar und verständlich einzubringen. Idealerweise wird nach Lösungen gesucht, die beiden Seiten gerechter wird als der aktuelle Zustand. Bis hierher klingt die Begriffsbestimmung einleuchtend und für den Großteil der alltäglichen Anforderungen sehr gut umsetzbar.
Doch wenn wir uns zu jedem Zeitpunkt souverän unter Kontrolle hätten und jederzeit mit kühlem Kopf sachlich-gelassen schwierige Situationen lösen könnten, wären verschiedene Berufe, wie z.B. Mediator:innen, Coaches oder auch Psychotherapeut:innen, absolut überflüssig. Die #Konfliktfähigkeit eines Menschen unterliegt einer Reihe von Faktoren, die einschränkend wirken können und die das Selbstbild einer Person nachhaltig prägen.
Friedemann Schulz von Thun spricht hierbei vom „Konfliktgesetz der vertikalen Gegenläufigkeit“, wonach die Konfliktfähigkeit in dem Maße abnimmt, in dem die Betroffenheit (wie z.B. das Ausmaß einer Kränkung) eines Menschen in einer bestimmten Situation steigt.
Worte oder Taten einer Person A werden umso wahrscheinlicher von einer Person B als kränkend erlebt, je abwertender A eine Aussage über B formuliert. Eine mögliche Verletzung von B ist dann wahrscheinlicher, wenn Andere Zeug:innen dieses Vorgangs werden. Ist es B möglich, schlagfertig zu reagieren, bestehen gute Chancen, gestärkt aus einer solchen Situation hervorzugehen. Ist B überrascht und sprachlos und muss die Abwertung passiv über sich ergehen lassen, ist die Kränkungsgefahr sehr hoch.
Sind bereits alte Verletzungen aus ähnlichen Erfahrungen bei B gespeichert, werden diese aktiviert und die aktuelle Kränkung intensiver erlebt.
Vorverletzungen stellen unsichtbare Gefahrenpotentiale dar. Sie laden Gesprächssituationen zusätzlich emotional auf und verschärfen die Untertöne und die Dynamik eines Gesprächs. Sie sind erkennbar an unverhältnismäßig starken Reaktionen.
Man spricht in einem solchen Fall von einem Trigger – gleich einem roten Knopf, auf den Person A drückt und scheinbar automatisiert eine starke Gefühlsreaktion bei Person B auslöst.
Sind sie der Person B bewusst, kann B aktiv gegensteuern und die Handlungsfähigkeit wiederherstellen. Entfalten wunde Punkte ihre Wirkung unbewusst, entwickeln sich mitunter ungünstige Teufelskreise zwischen A und B. Eine Auflösung verankerter Muster ist durch Selbstreflexion und die Rückmeldung anderer Menschen möglich; ein Umlernen setzt eine grundsätzliche Bereitschaft voraus, den eigenen Anteil an einem Konflikt sehen und ungünstiges Verhalten ändern zu wollen.