👁 Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt … 🧠

Mediand:innen erleben es üblicherweise als erleichternd, wenn sie so reden können, wie ihnen „der Schnabel gewachsen ist“, ohne von ihrem Streitgegenüber unterbrochen zu werden. Sie möchten ihre Version der Geschichte vorurteilsfrei darstellen können, so wie sie es WIRKLICH erlebt haben, ohne einen Zweifel an der Richtigkeit ihrer Aussagen.

Überraschend für beide Seiten ist oft, wie das Gegenüber im Anschluss daran die Situation beschreibt. Statt einer Bestätigung der Ereignisse setzt innerer und äußerer Widerspruch ein. So unangenehm, wie es für die Beteiligten oft ist, so normal ist es zugleich.

Wir alle haben verschiedene „innere Karten“ in unseren Köpfen, wie wir uns die Welt vorstellen. Keine dieser Karten stellt die Welt vollständig dar. Insofern gibt es (aus unserer konstruktivistischen Sicht) kein falsch oder richtig.

Wir machen uns vielmehr einen Reim darauf, was wir wahrgenommen haben und wie wir es aufgrund unserer Sozialisation, unserer Erfahrungen, unserer zugrundeliegenden Werte und Routinen einordnen, welchen Sinn wir dem Erlebten geben.

Stimmen die Deutungen nicht überein, geraten wir in eine engagierte Diskussion darüber, wer Recht hat. Wir versuchen, das Gegenüber von der eigenen Wahrheit zu überzeugen, in dem die individuellen Wahrnehmungen überbetont und bestätigende Argumente für sie gesucht werden, wohingegen die Erlebnisse des Gegenübers als unmöglich passend widerlegt werden.

Wie lässt sich diese Dynamik erklären?

Gehen wir mal davon aus, dass es tatsächlich objektiv feststellbare Ereignisse gibt, die ein:e jede:r Beobachter:in an der exakt selben Stelle genau gleich erkennt, wie z. B. die Konstellation von Himmelskörpern am nächtlichen Himmel. Paul Watzlawick nennt diese Ebene der objektiv gegebenen Fakten die Wirklichkeit erster Ordnung.

Daneben gibt es eine Wirklichkeit zweiter Ordnung. Sie beschreibt die individuelle Bedeutung, die wir z.B. der Konstellation von Himmelskörpern als Sternzeichen inklusive bestimmter Verhaltensmerkmale geben.

Streiten wir uns um Ereignisse, tun wir dies oft auf der Ebene der Wirklichkeit zweiter Ordnung. Wir streiten uns um die Bedeutung und die Deutungshoheit.

Je nach Blickwinkel und Erfahrungshintergrund unterliegen wir äußerst simplen Wahrnehmungsverzerrungen und (un-)bewussten Stereotypen, die unsere Bewertung der Ereignisse beeinflussen.

Echtes Verständnis füreinander kann dann einsetzen, wenn wir uns für die Wahrscheinlichkeit öffnen, dass alles auch ganz anders sein kann, dass ich mich täusche und du „Recht“ hast. Wenn wir uns für die jeweiligen Perspektiven, Wahrnehmungen und Geschichten der jeweils anderen Seite interessieren, wie sie eine Folge von Ereignissen wahrgenommen hat, wie sie sich meine Worte erklärt. Erst dann kann ich mir einen Reim darauf machen, warum sie entsprechend gehandelt hat, wie sie gehandelt hat.

Echtes Verständnis ist ein Prozess, der bei der eigenen Person anfängt – nicht beim Gegenüber.

Diese Website nutzt nur ein technisch notwendiges Cookie. Es gibt keine externen Dienste oder Tracking-Technologien.